Veröffentlicht: 15. Oktober 2025 | Letzte Aktualisierung: 16. Oktober 2025
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Wichtige Info: Diese nachfolgenden Beschreibungen und die Versuche des Entfzifferns der Texte, befinden sich derzeit in stetiger Bearbeitung und können jederzeit aktualisiert werden.
Gossip vor 100 Jahren
Lina Lörzer (1876 -1935)
Lina Lörzer, meine Urgrossmutter, hat 10 Kinder auf die Welt gebracht (vier Söhne, sechs Töchter). Ihr ältester Sohn, Gustav Lörzer, ist mein Großvater. Er und seine drei Brüder sind alle als Soldaten im 2. Weltkrieg gefallen. Lina Lörzer hat diese schweren Schicksalsschläge nicht miterleben müssen. Sie starb 1935 an Tuberkulose.
Ein bisschen Gossip, ein bisschen aus dem Alltag, der Garten umgegraben - vielleicht ein neuer Verehrer für eine der Töchter und die Gänse werden fett, damit sie gut schmecken. Und was ist mit der Räucherkammmer?
Es klingt nicht besonders spannend, ist aber ein Highlight am Beginn eines sicher noch viel umfangreicheren Projektes. Mein Cousin Michael schaut gerade durch die vielen Ordner mit Dokumenten und Notizen aus dem Nachlass seines Vaters und ich bekomme die Dokumente dann, um zu schauen, wie sie sich in meine Ahnendokumentation einfügen lassen. Direkt zu Beginn ein Highlight - ein Brief meiner Urgroßmutter Lina Loerzer (geb. Gerullis) vom 09. November 1926 an ihre Tochter Meta Lörzer (spätere Meta Wiemer). Die Anrede "Liebe Kinder" lässt aber darauf schliessen, dass der Brief nicht nur an sie gerichtet war.
Der Brief enthält keine aufregenden Informationen. Wie es scheint wollte die Mutter mit der Tochter eine einfache Konversation starten. Ohne Kontext sind hier auch viele Zusammenhänge unklar. Klar scheint nur, dass sich zwei Personen nicht vertragen. Möglicherweise ein Disput zwischen den Schwestern und der Brief war vielleicht der Versuch eine Schlichtung. Auch andere erwähnte Personen (keine Ahnung von wem Max der Bruder ist) und ihre Bedeutung erschliessen sich hier nicht, da der Kontext fehlt. Aber das ist trotzdem sehr interessant - sechs Töchter, vier Söhne (alle später im Krieg gefallen) und die Familie selbst besaß ein großes Anwesen in Schublau (heutiges Luschki). Gut situiert, würde man heute sagen und damals nicht ahnend, was die Zukunft an schweren Schicksalsschlägen bereit halten würde. Lina Lörzer hat diese Schicksalsschläge nicht mitbekommen. Sie ist 1935 im Alter von 58 Jahren an Tuberkulose gestorben. Die Krankheit wurde erst sehr spät diagnostiziert.
Sehr schön ist die elegante Handschrift, die gleichmässigen Federstriche. Transkribiert habe ich den Text des Briefes mit einer Software, allerdings tun sich viele Lücken auf, was an dem leicht verwischten Schriftbild und den seitlich hinzugefügten Zeilen liegt, die sich nicht wirklich entziffern lassen. Um den Text vergrössert anzuschauen, einfach auf das Bild klicken ... .
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Transkription des Textes, Seite 1/4
Szub.[lauken]. den 4. November 1926.
Liebe Kinder! Ich muß doch mal die Feder ergreifen und an Euch mal schreiben. Ich sag schon immer, schreibt doch, aber ist doch keiner zu bewegen; mit den beiden ist überhaupt nichts mehr los, die reden nichts zusammen, gehen auch morgens mehr zusammen, schon wer weiß wie lange nicht; ich ärgere schon so über sie, sie waren doch schon damals, als mir bei Euch waren, [unleserlich] bös und sind noch immer. Itel ist ja auch nicht viel zu Hause, sie geht weg, ohne was zu sagen und ... [unleserlich] wird er und redet nicht viel. Nein, nein das ist schon nicht mehr schön Liebe Methel, du solltest mal kommen und sie zusammen... [unleserlich]. Damals waren sie auf mich böse, das ich zu dir gesagt hatte, daß sie sich gar nicht vertragen, aber da reißt einem doch auch schon die Geduld. Itel war eine Woche bei Loosen(?), vorige Woche. |
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Transkription des Textes, Seite 2/4
Schützenfest, da war doch auch der Max, sein Bruder, sie sagt, der war doch aber auch sehr freundlich zur ihr, kam gleich ran zu ihr und sagte, Guten Tag, hat auch oft ihr getanzt; weshalb sie nicht kommen und er auch nicht schreibt, wissen wir nicht. Na wenn es nicht sein soll dann lieber nicht. Vielleicht sind auch bloss wieder Briefe verloren gegangen. So nun ist ja auch so ziemlich alle [unleserlich] auf Papas Gebutstag waren. Kuttkühner Onkel, [unleserlich] Itel [gemeint ist die Schwester Ida Lörzer] war gern bei ihnen nähen, dann waren noch [unleserlich] + u. Schublauker. Papa u. ich waren auch einen Sonntag in Insterburg, mußten. ja doch welche Zinsen für Onkel hinbringen G [unleserlich, vermutl. Gustav, der älteste Sohn, mein Großvater] war auch da, ich hatte schon an ihn geschrieben, das wir kommen, da war er schon auf dem Bahnhof uns abholen, er war auch noch gar nich bei uns, auch nicht zum Geburtstag, vielleicht kommt er zu [unleserlich] Heute sind wir 3 bloss zu Hause, Papa, Gustav du ich. Erich, Paul, Otto sind bei H. Lörzers und [unleserlich] helfen. Erich sollte ja auch wieder |
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Transkription des Textes, Seite 3/4
war sie hier bei Attorts(?) nähen und heute ging sie wieder bei Adomerts(?). Die Frau Annus ließ auch schon wieder sagen, sie soll mal rüberkommen, jetzt sind sie ja m. Spublauken in dem roten Haus [unleserlich] Zu nähen hat. Sie ja jetzt [unleserlich], kommt gar nicht rum, bei uns ist ja auch schon allerlei liegt auch ganz Teil [unleserlich] zu Wollhemden nun sagt ich gestern, wenn du immer weg bist, müssen wir doch schon die nähen, das können wir ja auch, aber nun hat sie uns wieder das [unleserlich] rausgenommen, ist nichts zu machen. Zeit möcht Gretel ja nun haben, anscheinend haben wir schon alles. Gestern haben wir den Garten ungegraben. Die Gänse haben wir rein geschmissen, wir füttern sie jetzt, sie fressen sehr gut, wenn sie so weiterfassen [unleserlich] wir sie vielleicht auch [unleserlich]. Sonst ist ja in der Wirtschaft noch alles beim Alten Milch gibt ja auch noch immer ganz hübsch eine Kuh soll ja zu [unleserlich] [unleserlich] |
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Transkription des Textes, Seite 4/4
Schweine sind ja auch noch genug, sind. ja aber alle noch nicht so sehr groß; der eine hat ja so [unleserlich, Kilo(?)], den wollen wir zu Weihnachten schlachten; die Sau hat auch nicht gerollt, vielleicht füttern wir die auch noch für uns, sie ist schon so ziemlich be[unleserlich], ist ja eine junge, denn behalten wir die. Für die Sau bekamen wir damals 242 M. Ihr werdet ja denn ganz schön schlachten in diesem Jahr, wenn es blos auch gut möge ausräuchern. Wird auch eine Räucherkammer jetzt gebaut oder nicht? Sonst ist ja auch nicht mehr viel Neues hier zu schreiben, von Amerika hat [unleserlich] jetzt schon lange keinen Brief bekommen. Seine Eltern waren [unleserlich] noch nicht bei uns. [unleserlich] meint, er wird wohl auch nicht mehr schreiben, sie hat doch schon lange den letzten Brief an ihn geschrieben und er schreibt gar nichts mehr zurück. Aber die Alten waren doch so sehr freundlich damals zu uns. Nun war [unleserlich] |
Die letzten geschriebenen Zeilen der Urgroßmutter
Der zweite Brief, ebenfalls von Lina Lörzer, ist undatiert und ein wirklich bedeutendes Dokument. Genau für so etwas, ist so eine Ahnendokumentation gedacht. Das Papier und auch die wesentlich undynamischere Handschrift, sowie die schiefen Zeilen, lassen darauf schliessen, dass dieser Text sehr viel später verfasst sein muss. Die Transkriptions Software gibt hier so gut wie keinen brauchbaren Text aus - da suche ich noch nach anderen Möglichkeiten des Entzifferns. Auf der ersten Seite ein Dank an die Kinder für ein erhaltenes Paket. Auf der 2. Seite dann die Nachricht, dass das Fieber wohl nicht mehr ganz so hoch sei und man sich nun in Gottes Hände begibt - ob Lina Lörzer sich selbst damit meint oder einen anderen Menschen und wie dieser Brief zeitlich einzuordnen ist, kann man nicht mit Bestimmheit sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das nur auf eine Art erklären lässt ...
Die rote Zeile auf der letzten Seite sind von einer anderen Person geschrieben. Da sich dieser Text in einem Ordner befand, der als Inhalt Briefe von Lina Lörzer an die Tochter Meta beinhaltet, nehme ich folgendes an: Der Brief wurde von meiner Urgroßmutter Lina Lörzer auf ihrem Sterbebett geschrieben und Meta Lörzer hat dies dann kommentiert: "Die letzten Zeilen von Mama" ... .
Ein schönes Dokument, das wir nun in digitaler Form vor dem Verfall gerettet haben.