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Die Briefe von Gustav Lörzer

Brief 04

Datum: 19.10.1944
Ort: Rauschen [1]


Mein liebes Frauchen,

Nun sind schon einige Tage vergangen, seit ihr mich verlassen habt. Am Montag bin ich trotz aller Bemühungen fernmündlich nicht durchgekommen. Hoffentlich seid ihr wenigstens einigermaßen im neuen Heim angekommen.[2] Wie waren die Fahrt und das Umsteigen in Schlochau und Konitz? Ruhe Dich nur gut aus und nimm alles nicht so tragisch, Muttichen. Sei tapfer, es werden gewiss auch wieder einmal bessere Zeiten für uns kommen, dann wollen wir unsere Putti verwöhnen und Dir recht viel Liebes tun, um das gut zu machen, was Du jetzt an Not und Sorgen durchmachen musst.

Wie sieht es in der neuen Wohnung aus? Wie mir ein Herr Schneider von der Gebührenstelle Krebs sagte, fehlen noch Fußböden und Dielen. Auch soll im anderen Zimmer noch ein Ofen gesetzt werden. Hoffentlich ist alles geschehen und ihr braucht nicht zu frieren. Wie ist die Telefon-Nr. des Schweizerhäuschens, Vielleicht kann ich abends des Öfteren mit Dir telefonisch sprechen. Schreibe mir bald einen langen Brief über alles, wie es euch ergangen ist und wie es bei euch aussieht. Wie gefällt es den Kindern?

Wie steht es mit Licht und Kochgelegenheit? Hat der Inhaber ein böses Gesicht gemacht, als so viele Kinder einzogen? Vergiss auch nicht, mit der Hebamme Verbindung aufzunehmen, damit sie Dir rechtzeitig zu einem Platz im Krankenhaus verhilft. Wenn es dort auch manchmal sehr umständlich und primitiv ist, ich bin doch froh, dass ich euch in Sicherheit weiß. Wie man hört, wird schon Trakehnen von der Artillerie beschossen. Dass bei Eydkau gekämpft wird, brachte ja schon der Wehrmachtsbericht.

Wie seid ihr sonst so in Rummelsburg aufgenommen worden? Hat sich jemand von der NSV um Euch gekümmert? Ich rufe heute noch Krebs an, um Näheres zu erfahren. Hat sich Mahnke schon gemeldet? Ich sprach vorgestern mit ihm und konnte ihm berichten, dass ihr jedenfalls gesund in Rummelsburg angekommen seid. Von unseren Angehörigen habe ich bis jetzt weiter keine Nachricht. Vielleicht fahre ich Anfang nächster Woche nochmals nach Neuhausen, um noch einige Sachen wegzuschicken, den Teppich, die große Kiste und vielleicht auch noch andere Sachen. Was fehlt noch besonders bei euch im neuen Haushalt? Und nun, mein liebes Frauchen, recht herzliche Grüße Dir und den Kindern, Dir aber einen herzlichen Kuss von Deinem Gustav

Auch Dorchen und Eddalein ein Küsschen vom Papi

Fussnoten

  1. Rauschen, Ostpreussen, heutiger Name Swetlogorsk ⧉. 35km nordwestlich von Kaliningrad, ehemals Königsberg.
  2. Dieser Brief markiert den Beginn der Flucht der Martha Lörzer mit ihren Kindern. Grund dafür war der Angriff der Russen auf den Ort Nemmersdorf am 16.10.1944, ganz in der Nähe von Gumbinnen, dem Lebensmittelpunkt der Familie Lörzer.