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Gl brief 06

Brief 05

Datum: 21. Oktober 1944
Ort: Rauschen [1]


Mein liebes Frauchen!
Soeben haben wir am Telefon gesprochen. Nach dem ersten Gespräch war ich wie vor den Kopf geschlagen. So entmutigt war mir Deine Stimme, dass ich nicht wusste, wie mir geschah. Ich glaubte, der Herd wäre schon drin und auch mit dem zweiten Öfen würde es in Ordnung gehen; und nun nichts. Ich habe dann gleich Naujoks in Gutenfeld (?) angerufen. Er will mir morgen einen ganz kleinen Herd, den man als Gepäck mitnehmen kann, besorgen. Vielleicht kann den jemand hinbringen, wie, weiß ich noch nicht. Wenn nur erst das Gepäck alles dort wäre, damit ihr euch etwas besser einrichten könnt. Gib dem angestellten Schneider von Stabsintendant Krebs nur Zigaretten und bitte ihn, dass er euch behilflich ist. Nur dann musst Du versuchen etwas Mitleid bei den alten Bekannten %u erzeugen. Wie wäre es, wenn Du einmal bei Manzke oder Winkler nachfragen würdest, ob nicht noch irgendwo ein eiserner Ofen übrig ist. Ist nicht auch noch irgendein alter Bekannter vom Landratsamt da? Hattest Du nicht den Tauchsieder und Frau Mahnke einen elektrischen Kocher mit? Doch damit ist wohl nicht viel zu machen. Ich warte nun schon auf Deine Post, damit ich sehe, wie ihr euch eingerichtet habt. Becht eng wird es ja sein, aber, mein liebes brauchen, es wäre die Fahrtjetztjur euch bedeutend schlimmer. Wer weiß, ob wir jetzt noch so viel Gepäck mitbekommen hätten. Die ganze Bevölkerung aus den Grenzkreisen Memel, Tilsit, Schloss- berg, Ebenrode, Gumbinnen, Goldap usw. ist unterwegs nach dem Westen. Wenn man das Elend der Mütter mit ihren Kindern sieht, dann bin ich doch froh, dass ihr wenigstens ein Dach über dem Kopf habt. Wo unsere Angehörigen aus Gumbinnen und Insterburg stecken, weiß ich nicht. Ich habe bisher keine Nach- richt. Gumbinnen und Schlossberg sollen schon beschossen werden. Morgen muss ich sehen, wie ich den Herd hin- bekomme, und dann will ich auch noch einmal nach Neuhausen, um noch etwas ab^uschicken. Ob’s mirgelingt, weiß ich nicht.

Schreibe mir doch auch, was Du mit der Kreissparkasse vereinbart hast. Wenn unser Gehalt immer aufs Spar- konto geschrieben werden soll, ist dann auf dem Girokonto auch genügend zpr Überweisung der Miete usw.? Wie geht es den Kindern? Hoffentlich sind ihnen die kalten Zimmer nicht ZP schlecht bekommen. Gehen sie alle zpr Schule? Wie lange wir hier bleiben, weiß ich nicht. Sicherlich werden wir bald ausrücken, doch wohin ist un- bekannt. Vor allem, mein liebes Puttilein, sieh zp, dass Du einem das Versprechen abnimmst, dass Du, wenn Deine schwere Stunde kommt, rechtzeitig ein Fahrzeug gestellt wird. Wenn es Zweck hat, versprich eine Flasche Cognac. Sonst aber lass’ Dich nicht aus der Buhe bringen, auch wenn die Kinder Krach machen und sonst was vorkommt. Hege auch den Teppich auf den Fußboden, damit es wärmer ist. Und nun, Frauchen, viele Grüße und einen lieben Kuss von Deinem alten Gustav. Grüße die Jungs und Mädchen von mir, sie sollen der Mutti immer schön gehorchen und helfen. Auch Frau Mahnke einen schönen Gruß.

Nochmals herzlichen Gruß, Dein, Alter“

Fussnoten

  1. Rauschen, Ostpreussen, heutiger Name Swetlogorsk ⧉. 35km nordwestlich von Kaliningrad, ehemals Königsberg.