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Die Briefe von Gustav Lörzer

Brief 12

Datum: 09.11.1944
Ort: Heiligenbeil[1]


Mein liebes Frauchen!

Gestern Vormittag bin ich hier eingetroffen. Ich fuhr mit einen LKW mit. Heute erhielt ich nun schon den 1. Brief von Dir, Frauchen, in Heiligenbeil. Habe mich sehr gefreut. Gerade wenn man so allein zu einer neuen Dienststelle hinkommft, freut man sich doppelt, wenn man von dem liebsten Menschen ein paar Zeilen erhält. Mein Gepäck ist noch nicht alles hier, daher immer die provisorischen Briefe. Sobald mein Vorgänger fort ist, ziehe ich in dessen Wohnung. Wenn man bedenkt, wie beheifsmäßig Du mit den Kindern wohnen musst, dann kann ich Dir beinahe nicht schreiben, dass ich hier eine 2-Zimmerwohnung mit Wasser und Zentralheizung habe. Gestern Abend habe ich gleich ein Wannenbad genommen. Wenn Du später kommst, dann kannst Du mich hier besuchen. Könntest Dich dann ein paar Tage gründlich ausruhen, dürftest kein Strickzeug oder dergl. mitbringen, sondern müsstest, während ich im Dienst bin, nur ruhen und alles Leid und alle Sorgen vergessen. Mein liebes ‚gutes Frauchen, ich möchte Dir ja so gern in allem helfen, aber wie soll ich das? Du weißt, wie eb ich Dich habe, und musst Dir nicht über allerlei so den Kopf zerbrechen. Ich bin nicht dafür, dass Du das massive Zimmer für M. (Mahnke) räumst. Bleibe nur noch jetzt drin, und wenn Du das Schwerste hinter Dir hast, dann lässt Du Frau M. in eine andere Wohnung ziehen, die ste doch wohl schon hat. Angst wovor solltest Du haben, Muttilein? Aber ich sehe nicht ein, dass Du jetzt dadurch, dass M. mitgekommen sind, Nachteile haben solltest. Zahlt Frau M. denn nicht auch einen Teil der Miete? Ich Denke, sie hat einen Antrag eingereicht. Deinen Fragebogen schicke ich anliegend zu. Setze noch hinzu, dass Joachtims Latinum monatlich 80,- RM kostet. Wiemers habe ich durchsagen lassen, dass sie ruhig nach Rummelsburg zu Dir ziehen können. Bis jetzt ist noch keines von den Geschwistern in unserer Wohnung. Frau P. wohnt dort allein. Auch wegen Joachims Schule mache Dir nicht so viel Sorgen. Kann er im nächsten Jahr nicht versetzt werden, dann bleibt er eben noch ein Jahr in der Klasse, aber deswegen Dir solchen Kummer machen, das solltest Du nicht. Anders ist es mit Deiner Sorge, wie Du zum Krankenhaus kommen sollst. Es macht mich verrückt, wenn ich denke, dass Du vielleicht unterwegs ZUSAMMENbrichst, vielleicht vor der Tür des Krankenhauses und sozusagen wie eine Bettlerin gerade noch hineinkonmst. Ich weiß ja nicht, aber ich könnte dann rüberkommen und wirklich jedem der Schuld ist, links und rechts in die Fr. schlagen. Bekonmst Du kein Fuhrwerk, dann bleibst Du aber da. Frau M. hat dann aber das Zimmer zu räumen und die Kinder nichts darin zu suchen. Jedenfalls machst Du den Weg zu Fuß nicht. Ich will heute noch mal versuchen, ob ich telefonisch durchkomme, um put dir zu sprechen. Stabsintendant Sinz (2) habe ich vorgestern in Neuhausen gesprochen. Er bewunderte Deine Ruhe und hat Dich sehr gelobt. Wahrscheinlich kommt demnächst noch die Nähmaschine dort an. Ob der Herd schon da ist? Und wegen des Geldes mach Dir nur ja keine Kopfschmerzen. Geht in diesen Monaten mehr drauf, dann geht es eben drauf. Die Hauptsache ist, dass damit wenigstens elwas geholfen werden kann. Können die Kinder nicht quer über den JudenJriedhof zur Schule kommen? Darüber musst Du Dir auch nicht soviel Gedanken machen. Wir hatten doch auch als Kinder einen weiten Weg. Das ist alles nur Gewohnheit, Grüße Dorchen, sie soll mir recht tapfer sein, es kommen auch wieder andere Zeiten.

Ja, mein gutes Puttichen, Du wirst sagen, der hat gut reden, aber Du weißt auch, dass ich, wenn es ginge, sofort mit dir tauschen würde, wenn ich Dir damit helfen könnte. Ich habe Dich doch so lieb, mein Frauchen, und denke abends immer an Dich. Wie gerne würde ich Dich in meine Arme nehmen, damit Du Dich einmal vom Herzen heruntererzählen und ausweinen könntest. Wirst mich auch wieder keb haben, wenn wir wieder beisammen sind? Wie gerne habe ich es doch immer gesehen, wenn mein Frauchen wie in früheren Zeiten sorglos lachte. Umso mehr schmerzt es mich, dass du nun vielleicht auch den letzten Rest an Frohsinn verlieren musst. Ich grüße Dich herzlich, mein Frauchen und gebe Dir in Gedanken einen herzlichen Kuss, Gustav Papi kommt wieder mit Puffbahn, Eddalein, nur weiß ich noch nicht wann.

Fussnoten

  1. Heiligenbeil, Ostpreussen, heutiger Name Mamonowo ⧉. 50km südwestlich von Kaliningrad, ehemals Königsberg.